Eiszeiten und Geschiebe
Dieser Abschnitt besteht aus drei Teilen:
1. Was ist Geschiebe?
(hier unterhalb)
2.
Gletscherschliffe - Zeugen der Eisbewegung (Seite 2)
3. Windkanter und
Eiskanter (Seite 3)
1. Was ist Geschiebe?
Was sind
Leitgeschiebe?
Warum bewegen sich
Gletscher?
Einige Gesteine
spielen nicht mit
Praktische
Geschiebekunde
Die letzte Eiszeit ging vor etwa 10.000 Jahren zu
Ende.
Davor war Nordeuropa mehrmals für lange Zeit vom Eis bedeckt. Mindestens
drei große Vereisungen sind für die letzten 500 000 Jahre gut dokumentiert.
Jede Eiszeit bescherte uns einen dicken, sich bewegenden Eispanzer, der in
sich Sand und Steine einschloß. Material des Untergrundes fror
im Eis fest (und blieb erhalten) oder wurden zerrieben und zerkleinert.
Die im Eis eingeschlossenen Steine waren nur mäßigen Belastungen ausgesetzt,
so daß selbst weiche Kalke mit Fossilien lange Transportwege von etlichen
hundert Kilometern unbeschadet zurücklegten. Auf diese Weise gelangte eine gewaltige Menge an Gestein zu uns. Dieses vom
Eis transportierte Material nennt man Geschiebe. Es stammt überwiegend aus
Schweden und der Ostsee, aber auch aus Norwegen und Finnland.
Während der Vereisungen waren große Teile Mitteleuropas von Gletschern
bedeckt. Die Karte hier rechts vermittelt davon einen Eindruck.
(Vergrößern)
Der Eistransport hat den
Untergrund deutlich verändert. Anstehender Fels wurde geglättet , Täler
ausgehobelt und Lockermaterial verfrachtet. Zeugnis davon legen zum
einen die „gekritzten Geschiebe" ab
- hier rechts ein Beispiel. Dabei handelt es sich um Steine, auf deren
Oberfläche der Eistransport Riefen hinterließ.
Auch der feste Untergrund wurde durch solche Gletscherschrammen gezeichnet. Bis heute sind diese Striemungen (Striae)
überall in Skandinavien und gelegentlich auch in Deutschland zu finden.
Bilder
dazu finden Sie hier.
Warum bewegen sich
Gletscher?.
Gelegentlich sieht man Zeichnungen zum Thema
"Eiszeit", in denen sich eine Wand aus blauem Gletschereis über eine mehr
oder weniger grüne Landschaft schiebt. So ist es ganz gewiß nicht
abgelaufen.
Eiszeiten sind lang andauernde Kaltzeiten. Ein Besucher würde nur eine
komplett verschneite Landschaft vorfinden. In der Antarktis findet gerade
eine Eiszeit statt und ebenso kann man sich das auch für europäische
Verhältnisse vorstellen.
Der Rand des Gletschers liegt in einer kargen Landschaft (Tundra) und ist
nur im Sommer als Eismasse zu erkennen, im Winter ist auch diese Landschaft
verschneit. Das Eis rückt immer soweit vor, bis der Rand in einen
Klimabereich kommt, in dem sich der Nachschub im Winter und das Abschmelzen
im Sommer die Waage halten.
Kühlt sich die Atmosphäre langfristig ab (kürzere Sommer, länger werdende
Winter), so reduziert sich das Abschmelzen im Sommer. Die Schneemenge, die
im Sommer nicht mehr komplett abtaut, vergrößert den Gletscher. Der
Eispanzer wächst und wenn das Eis nach vielen Jahren dann etliche Zehner
Meter dick ist, beginnt es unter der Schneedecke ganz langsam seitlich zu fließen.
Eis verhält sich wie eine sehr zähe Flüssigkeit. Ein guter Vergleich ist das
Verhalten von Honig auf einer ebenen Platte. Ein dicker Klecks zähflüssiger
Honig läuft breit, behält aber eine gewisse Dicke. Ebenso verhält sich Eis,
nur im größeren Maßstab.
Im Gebirge, wo es starke Neigungen gibt, ist die Fließbewegung stärker als
im Flachland. In ebenem Gelände ist es mehr die Dicke des Eises, die zum
"Auseinanderlaufen" führt, als das Gefälle des Untergrundes.
Wegen seiner Ähnlichkeit mit einer Flüssigkeit fließt ein Gletscher in
ebenem Gelände um ein gleich hohes Hindernis herum und nicht darüber hinweg.
Das aus Skandinavien stammende Eis bewegte sich zwar über sehr große
Entfernungen, aber es kam nur so weit, bis es ein Hindernis erreichte, das
so hoch war wie das Eis dick. Man kann noch heute an den Hängen der Gebirge
(zum Beispiel am Harz) die ungefähre Dicke des Eises ablesen, indem man auf
Hanglagen nach Geschieben sucht.
Da allerdings Wind und Wetter ständig die Berge abtragen, genügt es nicht,
ein einzelnes Geschiebe zu finden und daraus Schlüsse zu ziehen. Man muß
schon viele Proben in einer Höhe finden, um Aussagen über ehemalige
Eisränder machen zu können.
Zur Entstehung einer großen Vergletscherung, die Tausende Quadratkilometer
umfaßt und kilometerdickes Eis wachsen läßt, bedarf es nicht nur eines kalten
Klimas, sondern auch einer Landmasse als Unterlage. Nur auf festem Untergrund
wachsen richtig dicke Gletscher, die dann zu einer kräftigen seitlichen
Fließbewegung in der Lage sind.
Ein
sicherer Anzeiger für Geschiebe aus dem
Norden ist der Feuerstein.
Das meist schwarze Gestein mit dem typisch muscheligen Bruch und der
weißen Kruste stammt aus der Ostsee.
Die maximale Südausdehnung unserer Vereisungen wird durch das Vorkommen
von Feuerstein angezeigt. Die südlichsten Funde bilden die
Feuersteinlinie, die den Rand des Vereisungsgebietes nachzeichnet.
Zusätzlich liefern die Gletscherschrammen in den
Herkunftsländern Norwegen, Schweden und Finnland ein gutes Bild darüber, wie
sich dort das Eis bewegte. Im großen und ganzen paßt alles gut zusammen. Die
Eisschrammen auf den Felsen zeigen mehr oder weniger nach Süden und die von
dort stammenden Gesteine finden wir bei uns.
Man geht im allgemeinen davon aus, daß der Eispanzer mit seiner Mitte über
Schweden lag und von dort aus das Eis nach allen Richtungen abfloß. Daher
liegen in England viele Gesteine aus Südnorwegen, in Mitteleuropa
überwiegend schwedische Steine und in Estland und Westrußland die Vertreter
aus Finnland.
Blaue Pfeile zeigen die Richtungen der heute
vorhandenen Striemungen auf dem Grundgebirge an. Sie sind ein direktes
Zeugnis der Gletscherbewegungen.
Beachten Sie die Pfeilrichtung im Südwesten Finnlands. Siehe dazu auch den Text
hier unterhalb.
Einige Gesteine spielen nicht mit.
Die Gletscherstriemen auf dem skandinavischen Gebirge sind überwiegend
Momentaufnahmen aus den letzten Phasen der letzten Vereisung. Mit großer
Wahrscheinlichkeit gab es aber noch andere Bewegungen als die, die sich aus
den heute noch erhaltenen Spuren auf dem Untergrund ablesen lassen.
Wir finden im Geschiebe nämlich auch Gesteine, die mit den Eisbewegungen, so
wie sie sich aus den Gletscherschrammen ergeben, keinesfalls hierher
gekommen sein können. Gesteine aus Finnland dürften eigentlich nicht
hier sein - sie sind es aber doch. Wieso das?
Die Gletscherschrammen (= Eisbewegung) zeigen im Osten der Ålandinseln und
in ganz Finnland in die falsche Richtung.
Die Gletscherspuren weisen dort einheitlich nach Südosten, weg von der Mitte
des skandinavischen Gebirges, weg von Schweden.
Wieso können wir dann aber hier in Norddeutschland und in den Niederlanden
Gesteine finden, die aus Westfinnland oder sogar aus dem Wiborgpluton stammen und die eigentlich in Lettland
oder Estland liegen müßten? Der Weg, den diese Steine genommen haben, liegt
im rechten Winkel (!) zur Gletscherstriemung.
Eine Möglichkeit wäre, kräftige Strömungen
von Schmelzwässern in den Zeiten zwischen den Vergletscherungen anzunehmen.
So könnten Flüsse in Zeiten der Gletscherschmelze einzelne Gerölle nach
Westen in die Ostsee gespült haben, wo sie in der nächsten Eiszeit auf dem
gewohnten Weg mitgenommen wurden.
Dagegen spricht die Größe einiger Findlinge, die zweifellos den
beschriebenen Weg zurückgelegt haben.Ein Beispiel ist ein weißer Festlandsrapakiwi, der auf der Insel Lemland
(ein Teil von Åland) liegt und schon deutlich über 1,5 Tonnen wiegt.
(Bild, 300 kB) Das Gestein stammt sehr wahrscheinlich aus dem
Nystadt-Massiv an der finnischen Küste. Um dorthin zugelangen, wo er heute
liegt, mußte er sich nach Südwesten bewegen. Im Herkunftsgebiet
(Südwestfinnland) bewegte sich das Eis aber nach Südosten.
Ein zweites Beispiel ist ein Großgeschiebe auf dem Autobahnrastplatz
"Rosengarten" im Süden von Hamburg. Es handelt sich um ein Musterbeispiel
eines Rapakiwis vom
finnischen Festland, das etwa 12 Tonnen
wiegt und dessen Status als Geschiebe verbürgt ist.
(Bild, 300 kB) Auch dieses Gestein hat sich insgesamt anders bewegt, als
die Gletscher der letzten Eiszeit.
Lothar Eissmann 1)
bietet eine Lösung an, die viel für sich hat: Die Transporte der finnischen
Gesteine zu uns werden verständlich, wenn man annimmt, daß sich das zentrale Gebiet der
Vergletscherung sich während der Eiszeiten weit nach Osten verlagert hat .
1) Lothar Eissmann: Quartärgeologie und
Geschiebeforschung im Leipziger Land,
Heft 3 der Altenburger Naturwissenschaftliche Forschungen,
Altenburg 1986, Seite 119...