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Entstehung:
Am spannendsten ist
natürlich die Frage, wie ein solches
Gestein entsteht.
Eine einfache Antwort habe ich auch nicht parat und es sind die unterschiedlichsten
Ansätze im Umlauf.
Selbst die Frage, in welche Richtung die runden Gebilde
kristallisierten (von innen nach außen oder umgekehrt) wurde
gelegentlich kontrovers diskutiert. Es scheint aber sicher, daß fast alle Orbicule von innen nach außen
kristallisierten. Das gilt insbesondere für die silikatischen Gesteine
- also die Mehrzahl aller gefundenen Kugelgesteine.
Nur in einem
Fall – dem des Karbonatgesteins von Sokli (Nordfinnland) hat es wohl
eine Trennung des noch flüssigen Magmas in unterschiedlich
zusammengesetzte Schmelzen gegeben - die sogenannte "liquide Entmischung". Die dabei gebildeten „Tropfen“
der silikatreicheren Schmelze innerhalb der karbonatischen Schmelze sind wahrscheinlich von
außen nach innen kristallisiert.
Die Bildung
von Kugelgesteinen scheint an sehr spezielle Bedingungen geknüpft zu
sein.
Eine davon ist ein Mangel an Kristallisationskeimen, der in sehr
heißen Magmen gegeben ist.
Die zweite Voraussetzung scheint eine starke Abkühlung des Magmas
unter ungestörten Bedingungen zu sein. Orbiculite treten bevorzugt am
Rande magmatischer Intrusionen auf und dort besonders gern in Gängen
oder Ausstülpungen, die ins kalte
Nebengestein ragen.
Eine ausführliche Darstellung dazu findet sich in:
Hans-Peter Meyer: Zur Petrologie von Orbiculiten, Karlsruhe 1989.
Der Kern des dort dargestellten Modells ist die starke
Unterkühlung des Magmas. Wegen der fehlenden Keime setzt die
Kristallisation verzögert ein, läuft dann aber stark beschleunigt
ab. Das führt zur radialstrahligen Ausbildung der Minerale. Bleibt dabei das Magma in Ruhe, hängt die weitere Anlagerung
von Mineralen von der Geschwindigkeit ab, mit der aus der umgebenden
Schmelze Material zur Kristallisationsfront diffundieren kann. Der
Einbau der Minerale an der Oberfläche führt zur stofflichen Verarmung
in der
unmittelbaren Umgebung um das wachsende Orbicul, was wiederum die
Abscheidung neuer Minerale einleitet.
Der Antrieb dieses Prozesses ist das Temperaturgefälle zwischen dem wachsenden
Kristallaggregat und der Umgebungsschmelze.
Für die Einzelheiten dieses Modells möchte ich auf den oben
genannten Text verweisen.
Die verschiedenen Kugelgesteine enthalten nicht selten deformierte
Kugeln. Die Orbicule sind aneinander gedrückt und verformt. Die
Orbicule waren also eine Zeit lang plastisch verformbare Gebilde, die
von einer fließfähigen Schmelze umgeben waren.
Zusätzlich findet man Schalen, die sich wie eine dicke Haut verhalten
und sich ablösen können.
Das Bild unten zeigt eine solche Schalenablösung in einem
Ruskiavuor-Kugelgranit.
Aus den
besonderen Bedingungen der Entstehung erklärt
sich eine weitere Eigenheit der Kugelgesteine: Die
Vorkommen sind sehr klein, um nicht zu sagen
winzig.
Die Größe von Orbiculitvorkommen wird in Metern (!) angegeben. Mehrere Zehner Meter sind schon
groß zu nennen und eine Ausdehnung von mehr als 100m wird nur in sehr seltenen Fällen erreicht. Umgekehrt sind etliche Vorkommen bekannt,
die kleiner als 5m im Durchmesser sind.
Ein großer Teil der Kugelgesteine in Skandinavien wurde nur als
Geschiebe bzw. lose Blöcke gefunden. In Finnland, wo besonders
viele Kugelgesteinsvorkommen bekannt sind, kennt man
nur bei 29 von 90
Orbiculittypen das Anstehende.
Die 61 anderen Varianten gibt es nur als Geschiebe. Einige wurden nur
als Einzelexemplare gefunden, andere mehrfach in langgestreckten
Streufächern. Bei einigen besonders interessanten Exemplaren hat man
intensiv nach ihrem Anstehenden gesucht – ohne Erfolg. Bei der geringen
Größe der Vorkommen ist das kein Wunder. Wenn man Pech hat, steht
eine Scheune darauf.
Eines der
schönsten Kugelgesteine gehört zu diesen, nur als Geschiebe
gefundenen Typen:
Der Quarzmonzonit von Kuohenmaa (Kangasala).
Bis heute ist das
Anstehende dieses Gesteins unbekannt.
Alle gefundenen Geschiebe
befinden sich in Ausstellungen oder Sammlungen.
Orbiculit von Kuohenmaa/Kangasala. Sammlung der GTK, Espoo, Finnland.
Polierter Schnitt.
Zur Klassifizierung:
In der Literatur zu Kugelgesteinen findet man gelegentlich
verblüffend unterschiedliche Angaben zur Zusammensetzung ein und
desselben
Gesteins. Bei Orbiculiten ist es offensichtlich nicht einfach zu
entscheiden, zu welcher Gesteinssorte man den Kandidaten zuordnet.
Der Grund liegt in den ausgesprochen großen Gefügebestandteilen.
Ein Dünnschliff repräsentiert immer nur einen winzigen Teil des
gesamten Gesteins. Je nach dem, ob man den Orbiculkern, die Schalen
oder die Zwischenmasse untersucht, erhält man verschiedene Ergebnisse.
Einigermaßen verläßlich sind nur chemische Untersuchungen, bei denen
ziemlich große Mengen Gestein zermahlen und analysiert werden müssen,
um eine durchschnittliche Zusammensetzung zu ermitteln. Solche
Methoden sind aufwendig und teuer und daher nicht immer verfügbar.
Kugelgesteine finden?
Orbiculite sind seltener als ein Hauptgewinn im Lotto.
Trotzdem werden hin und wieder Kugelgesteine auch bei uns im
Geschiebe gefunden.
Das unten abgebildete Stück ist so ein Glücksfall.
Dieser Orbiculit wurde 1984 von Frau Polewka in der Nähe von Buxtehude
(Niedersachsen)
in einer Kiesgrube gefunden.
(Die Münze ist ein Groschen und hat einen Durchmesser von 21 mm.
Das Foto stammt von Herrn Polewka.)
Aus sicherer Quelle weiß ich, daß in der Lüneburger Heide noch
mindestens ein sehr großes Orbiculitgeschiebe liegt. Die Lage des
metergroßen Steins ist leider nicht dokumentiert worden und so wurde
er trotz Nachsuche nicht wiedergefunden.
Die Orbicule in diesem Stein sollen nicht sehr
groß sein (nur einige Zentimeter) und sie sollen auf einer Seite des
Steins dichter liegen als auf der anderen. Es könnte sich also um ein
Randstück eines Orbiculitvorkommens handeln.
Das Geschiebe liegt zusammen mit anderen Steinen an einem Weg irgendwo
südwestlich von Lüneburg, ganz grob in der Gegend von Amelinghausen -
Wettenbostel. Wenn Sie ihn finden, notieren Sie bitte unbedingt den
Anfahrtsweg und melden Sie sich. Beim Geologischen Landesamt in Hannover
(Stilleweg 1), im
Mineralogischen Institut der Uni Hamburg oder bei mir, Matthias
Bräunlich, Hamburg (Adresse im Impressum).
Mitnehmen können Sie ihn wegen
des Gewichts ohnehin nicht und bevor Sie die Oberfläche mit einem
Hammer ruinieren, wäre es schön, ein paar Fotos zu machen.
Wenn Sie jetzt eine attraktive Auswahl von
Kugelgesteinen sehen möchten, rufen Sie
die
nächste Seite auf. |
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Verwechselungen:
Die Kugelgesteine, um die es hier geht, lassen sich bei genauer
Betrachtung leicht von anderen, ähnlich aussehenden Bildungen
unterscheiden.
Orbiculite werden gern mit Rapakiwis in eins
gesetzt. Das ist falsch.
Die Merkmale, an denen sich beide
Gesteinsgruppen unterscheiden lassen, habe ich auf einer separaten
Seite
(Vergleich von Rapakiwis und Orbiculiten) zusammengestellt.
Gelegentlich findet man angewitterte Gesteine, bei denen sich die
äußere Kruste schalig ablöst. Auch dieses Phänomen hat mit den Kugelgesteinen nichts zu
tun hat. Ein Beispiel sehen Sie unterhalb.
Diese kugelschalige Verwitterung ist oft bei dunklen Gesteinen aus der
Basaltgruppe zu finden, kommt aber auch bei anderen Gesteinen vor.
(Teneriffa, Straßenaufschluß an der TF-24
südwestlich von San Cristobal de la Laguna)
Bildbreite etwa 1m
Die gleiche Stelle aus größerer Entfernung:
Weitere Bezeichnungen für Kugelgesteine:
Ein anderer Name,
der für diese Gesteine verwendet wird, ist "Orbicularit".
Im Englischen heißt ein Kugelgestein "orbicular rock".
Im Schwedischen
trägt es die Vorsilbe "Klot", so daß ein
Kugelgranit als "Klotgranit" bezeichnet wird.
Auf finnisch heißt ein Kugelgestein allgemein "Pallokivi". Genauere
Gesteinsbezeichnungen werden ebenso wie bei uns angehängt. "Pallograniitti"
ist dann analog der Kugelgranit.
Anmerkung zu den Begriffen:
1.) Zusätzlich zu „Kern“ und „Schale“ - im Englischen „core“ und „shell“- wird gelegentlich noch ein dritter Begriff - “nucleus“ - verwendet.
Damit werden Fremdgesteinseinschlüsse oder Kristalle bezeichnet, die
als Kristallisationskeim für das Orbicul dienten. Ein "Nucleus" kann
innerhalb eines Kerns liegen oder auch mehr oder weniger direkt mit
Schalen umwachsen sein.
2.) Es gibt Hinweise, daß die Abgrenzung von "Kern" und "Schale" bei einigen Autoren
unterschiedlich gehandhabt wird. An manchen Literaturstellen bezieht
sich „Kern“ auf den radialstrahlig gezeichneten Teil
eines Orbiculs. Die Schalen beginnen dann mit dem sichtbar
konzentrisch gezeichneten Teil.
Andere Autoren (z. B. H. P. Meyer) lassen die Schalen am Übergang vom regellosen Kernbereich zum geordneten, radialstrahlig gewachsenen Teil des Orbiculs
beginnen. Hier basiert die Zuordnung auf dem
Dünnschliff, während sich die erste Gliederung auf die makroskopisch
sichtbare Zeichnung bezieht. Letzteres kann
allerdings leicht täuschen. Siehe dazu auch die Bilder beim Ruskiavuor-Granit.
Für die Beschreibung der Gesteine oder die Zuordnung zu den Orbiculite
sind solche Unterschiede in der Festlegung sekundär. Weder wird das
Vorhandensein der typischen Gefügeelemente davon berührt, noch die
Erkennbarkeit von Kugelgesteinen überhaupt.
Literatur:
Folgende Literatur (bzw. Internetseite) habe ich benutzt und kann ich empfehlen:
- Lahti, Seppo, I.(ed.) 2005: Orbicular
rocks in Finland, With contributions by Paula Raivio and Ilkka
Laitakari.
Geological Survey of
Finland. 177 pages, 195 figures and 16 tables.
(Das Buch ist sehr zu
empfehlen und kann
direkt in Finnland bestellt werden.
Öffnen Sie auf der dortigen Seite den Link "Order Form" (das Bestellformular)
drucken Sie dies aus und schicken Sie es ausgefüllt zurück zur GTK.) |
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- Hans-Peter Meyer: Zur Petrologie von Orbiculiten. Dissertation,
Karlsruhe 1989
(Ausführliche Beschreibungen der Orbiculite von Esboo, Virvik,
Kangasala, Kuru, Großgerungs, Romsaas und Sokli. Detaillierte
Einzeluntersuchungen und ausführliche Darlegungen zu verschiedenen
Modellen der Genese - und das alles auf deutsch!)
- Hans-Peter Meyer im Internet: Orbiculite -
Faszinierende granitoide Gesteine
- Anders Lindh - Helena Näsström: Crystallization of orbicular rocks
exemplified by the Slättemossa occurrence, southeastern Sweden
(Geol.
Mag. 143 (5), 2006, pp. 713–722. © 2006 Cambridge University Press)
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