Kullaite sind Ganggesteine.
Sie sind benannt nach dem „Kullen“ („Erhebung“, „Hügel“, „Anhöhe“), der die
Spitze des „Kullaberges“ bildet. Der Kullaberg ist eine bewaldete, lange und schmale Halbinsel an
der schwedischen Küste nördlich von Höganäs, etwa 30 km nordwestlich von
Helsingborg.

Nordküste am Kullaberg, Südwestschweden
Für Sammler
kristalliner Gesteine gehören Kullaite zu den überaus seltenen Raritäten. Da
ich wiederholt nach ihnen gefragt wurde, stelle ich sie hier vor, auch wenn
die Chance, einen zu finden, sehr, sehr klein ist. Sie sind so selten, weil
Kullaitgänge in der Regel schmal sind. Die Flächen, von denen während der Eiszeiten Material
abgelöst und zu uns transportiert werden konnte, sind also nur schmale
Streifen in der Landschaft. Dazu kommt, daß diese Gesteine sehr unauffällig
und leicht zu übersehen sind. Ein typischer Kullait sieht zum Beispiel so aus:

Kullait vom Kullaberg, anstehend bei Josefinelust. H. Wilske legit.
(Die Probe ist zwar abgerundet, stammt aber vom Ufergeröll direkt unterhalb
des Ganges)
Auf Armeslänge sehen Kullaite einfarbig aus und zeigen kaum
Einzelheiten, von gelegentlichen rötlichen Flecken abgesehen. Unter der Lupe
jedoch erkennt man ein Gewirr winziger Feldspatleisten, die weißlich, braun
oder rötlich gefärbt sind. Dazu kommen dunkle Minerale in der
Grundmasse, die zusammen mit den Feldspäten dem Gestein eine graugrünliche
bis braune Farbe verleihen. Quarz ist makroskopisch nicht erkennbar.
Ohne Lupe
dagegen sehen Kullaite eher unattraktiv aus. Es sind definitiv Gesteine für Genießer.

Der Gang, aus dem diese Probe stammt, sieht so aus:


Geologischer Rahmen:
Der Kullaberg befindet sich am südwestlichen Rand des Baltischen
Schildes, der in einem langen Staffelbruch - der Tornquist-Zone - endet. Die
Halbinsel des Kullaberges streicht in NW-SO-Richtung und zeichnet in der
Landschaft gut sichtbar den Verlauf der Tornquist-Zone nach. In dieser
Bruchzone stehen noch andere, vereinzelte Grundgebirgshorste, die sich
ebenfalls in gleicher Richtung erstrecken: z. B. der Hallandsåsen oder der
Söderåsen. In der Verlängerung nach Südosten bildet die Insel Bornholm das
letzte Teilstück der Tornquist-Zone an der Erdoberfläche.
Die Kullaite stammen aus der Zeit des Karbons und Perms. Ihre Bildung war an
die Verwerfungen innerhalb der Tornquist-Zone gebunden und mit dem Aufstieg
mafischer
Schmelzen verknüpft. Dieses Magma mit basaltischer Zusammensetzung stieg in den Rissen und Verwerfungen
der Bruchzone auf und es entstand ein ausgedehnter Schwarm dunkler
Gänge, die alle in NW-SO-Richtung durch Schonen verlaufen. Diese Gänge werden als
Nordwest-Dolerite bezeichnet. Bei einem kleinen Teil
dieser dunklen Gänge kam es zur
Vermischung des basaltischen Magmas mit hellen, feldspatreichen
Gesteinsschmelzen. Das Ergebnis dieser Magmenmischung sind die Kullaite.
In der folgenden geologischen Karte sind einige wenige der NW-Dolerite als
violette Linien eingetragen. Sie zeigen Richtung und Ausdehnung der
Tornquist-Zone und des Gangschwarms an, zu dem auch die Kullaite
gehören. Die Bruchzone mit den darin enthaltenen Gängen setzt sich bis nach
Bornholm fort (außerhalb der Karte).

Die Tornquist-Zone ist reich an dunklen Gängen:

Im Steinbruch Torpa Klint, südlich von Höör, Schonen.
In Torpa Klint wird ein präkambrischer Gneis zu Schotter verarbeitet.
In diesem Gneis stecken die steil einfallenden dunklen Ganggesteine, deren Breite
hier meist unter einem Meter liegt. Das Bild ist ungefähr in der Richtung des Streichens der Gänge
aufgenommen, Blick nach Südosten. Die Pfeile zeigen auf die Gänge,
die teilweise durch Verwitterung braun gefärbt sind. Zum größten Teil
handelt es sich um NW-Dolerite, einige der Gänge scheinen eine etwas
abweichende Zusammensetzung zu haben (Lamprophyre). Das Bild illustriert auf
anschauliche Weise, wie das aufdringende Magma in vorhandene Risse eindrang.
Parallel zu diesen dunklen Gängen stecken die meist braunen Kullaite im Grundgebirge der Tornquist-Zone,
sind aber sehr viel seltener.
Wie viele Kullaitgänge
es gibt, ist nicht bekannt. An der Typlokalität, dem Kullaberg, gibt
es bereits mehrere. Dazu kommen die Vorkommen im Steinbruch von Dalby
(inzwischen abgebaut), in Torpa Klint (der „Syenitporphyr von Torpa Klint“)
sowie im Steinbruch Bjergebakke auf Bornholm. Wenn man sich vor Augen hält,
daß bereits in diesen wenigen Steinbrüchen Kullaitgänge angetroffen wurden,
kann man vermuten, daß es noch weitere im Untergrund von Schonen gibt.
Als Wirte für die Kullaite kommen natürlich nur solche Gesteine in Frage,
die älter als Karbon bzw. Perm sind. In Schonen stammen diese hauptsächlich
aus dem Präkambrium und dem Silur.

Der Kartenausschnitt zeigt das westliche Schonen. Die violetten Linien sind besonders große NW-Dolerit-Gänge, sie stehen für
viele hundert kleinere mafische Gänge und die Kullaite. All diese Gänge
enden an den Grenzen zu Gesteinen, die jünger Perm sind, also
Trias,
Jura, Kreide und Tertiär. Östlich von Landskrona ist das besonders schön zu
sehen.
Das enge Nebeneinander unterschiedlich alter Formationen spiegelt hier die
Geschichte des allmählichen Zerbrechens und gestaffelten Absinkens des
Grundgebirges wider. Die im Untergrund liegenden
alten Gesteine werden nach Südwesten zu von immer jüngeren überlagert.
Doch zurück zu den Vorkommen der Kullaite.
Neben den südschwedischen Vorkommen und dem
Gang von Bjergebakke auf Bornholm sind Kullaite auch vom Grefsenkollen (Oslo)
bekannt.
Wegen dieser weit auseinander liegenden Vorkommen sind sie
keine
Leitgeschiebe, auch wenn Eigennamen wie „Kullait von Dalby“ dies nahelegen mögen.
Weitere Beispiele:

Kullait von Bjergebakke, Bornholm.
Dieser
Kullait ist von dunkler, braungrauer bis grünlichgrauer Farbe.
Sein Gefüge ist feinkörnig mit unregelmäßigen, kleinen rötlichen Flecken.
Nur mit einer Lupe sieht man, daß das gesamte Gestein von
kleinen, regellos angeordneten Feldspatleisten durchzogen ist. Sie
sind hier weißlich bis schwach rötlich.
Die Feldspäte in den Kullaiten sind fast immer Plagioklase, gelegentlich kommen auch Alkalifeldspäte vor. Eine
makroskopische Bestimmung ist wegen ihrer geringen Größe generell nicht möglich.
Die rötlichen runden Flecken sind in diesem Handstück nur wenige Millimeter
groß, gelegentlich gibt es kleine Drusen.
Dieser Kullait enthält sehr viele dunkle Minerale, die zum Teil als dünne Nadeln
ausgebildet sind.

Das nächste
Handstück (unten) stammt ebenfalls aus Bjergebakke. Sein Gefüge ist, verglichen mit
dem der meisten Kullaite, schon relativ "grob". Beachten Sie die rötlichen
Einschlüsse, das ist ebenfalls Kullait. Wir haben hier also einen Kullait
mit Kullaiteinschlüssen. Solche genetisch verwandten Einschlüsse
von Gestein
gleichen Ursprungs (aus dem gleichen
Magma), bezeichnet man als Autolithe.

Ausschnitt aus der Mitte von oben (polierter Schnitt):

Der rötliche
Kullaiteinschluß ist
feldspatreicher und geringfügig grobkörniger ist als seine Umgebung.
Bjergebakke auf Bornholm:
Im alten Steinbruch von Bjergebakke wurde früher Almindinge-Granit gebrochen. Da der Abbau seit
vielen Jahren ruht, sind inzwischen alle Oberflächen angewittert und der Kullaitgang
fällt nicht auf. Er hat jedoch eine andere Klüftung als der umgebende Granit, so daß man ihn mit ein
wenig Aufmerksamkeit doch findet. Der Gang ist etwa anderthalb Meter breit
und an zwei Flächen, im Norden und im Süden, aufgeschlossen.

Oben: Blick nach Süden,
und nach Norden (unten).

Aus der Nähe ist erkennbar, daß die
Klüftung innerhalb des Ganges engständiger als im umgebenden Granit ist. Die
Person befindet sich genau oberhalb der Mitte des Kullaitganges.

Im Zweifel hilft es, eine Ecke abzuschlagen. Schließlich ist das ein
Steinbruch, da muß man
nicht so zurückhaltend sein:

Der Kullait ist
schlierig und inhomogen, was bei einem Mischgestein nicht überraschend ist.
Das nächste Beispiel vom Kullaberg zeigt einen bekannten und besonders
auffälligen Kullait, der sich unterhalb des Leuchtturms
"Kullens fyr" befindet.

Das Hellgraue ist von
Flechten überwachsenes Gestein. Der rotbraune Kullaitgang ist unten am
Strand etwa zwei Meter breit, weiter oben im Hang erscheint er schmaler.
Steht man direkt davor, erkennt man auch,
daß das Wirtsgestein der weißschlierige Granatamphibolit ist, der selbst ein
schönes Leitgeschiebe für Südwestschweden ist.
(Die Landschaft dort ist Naturschutzgebiet, der Hammer muß im Auto bleiben)

Aus der Nähe:

Der schlierige Kontaktbereich von Kullait und Granatamphibolit läßt
vermuten, daß es zu einer Aufschmelzung des Amphibolits und zur
Vermischung mit dem eindringenden Magma kam.
Der rotbraune Kullait sieht aus der Nähe so aus
(frischer Bruch eines losen Stückes vom Strand):

Ein anderes, schön
gerundetes Geröll von dort ist erkennbar feinkörniger:

Geschiebefunde von Kullaiten:
Kullaite sind wegen der winzig kleinen Vorkommen als Geschiebe
verständlicherweise selten.
Mir sind nur zwei Funde bekannt, einer von Hans-Jörg Altenburg, ein zweiter von
Dr. Karsten Obst.
Der erste wurde in einer Kiesgrube bei Güstrow (Mecklenburg-Vorpommern) gefunden:

Auffallend sind hier die
Feldspateinsprenglinge. Das Gefüge in diesem Schnitt erinnert an einen engen
Verwandten des Kullaits, den "Syenitporphyr von Torpa Klint".
Der andere Fund wurde von Dr. Obst auf Rügen gemacht. Sein Kullait enthält
neben den schon erwähnten rötlichen Flecken auch dunkle Schlieren, bei denen
es sich um Reste von basaltischer Schmelze handeln dürfte. Zu diesem Fund
erschien auch eine Beschreibung in "Geschiebekunde aktuell" (siehe ganz
unten).

Zusammenfassung:
Kullaite sind Ganggesteine, die durch die Vermischung von basaltischem Magma
mit hellen, feldspatreichen Schmelzen entstanden. Sie sind permokarbonischen
Alters, stammen überwiegend aus Schonen und sind dort, zusammen mit den
Nordwest-Doleriten, Teil eines ausgedehnten Gangschwarmes innerhalb der Tornquist-Zone. Zusätzlich gibt es
Kullaite auf Bornholm und im Oslogebiet. Wegen
dieser weit auseinander liegenden Vorkommen eignen sie sich nicht als
Leitgeschiebe.
Kullaite zeichnen sich durch eine braungraue, grünlichgraue, braune oder
rotbraune Färbung aus und bestehen aus einer feinkörnigen Masse sehr kleiner,
regellos angeordneter Feldspatkristalle, begleitet von mehr oder weniger
vielen dunklen Mineralen. Die Feldspäte sind überwiegend Plagioklase, nur
untergeordnet kommt Kalifeldspat vor. Eine Bestimmung der Feldspäte ist
wegen der kleinen Abmessungen im Gelände nicht möglich, aber auch nicht
nötig.
In vielen Kullaiten finden sich unscharfe rötliche Flecken. Dazu können
etwas größere, meist idiomorphe Feldspäte kommen sowie dunkle Schlieren als
Reste mafischer Schmelze.
Beschreibung des Kullaitfundes von Rügen in:
Geschiebekunde aktuell, Nr. 17, Hamburg, Juli 2001. Obst, K. "Kullaite und ihre
Bedeutung als Leitgeschiebe" Seite 75-84.
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