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Warvitit - ein versteinerter Bänderton
Zusammenfassung:
Das hier beschriebene Gestein ist ein stark verfestigter Bänderton (Warventon)
mit eingelagerten „dropstones“. Sein Alter wird auf mehrere hundert
Millionen Jahre geschätzt und es ist ein Beleg für eine erdgeschichtlich
alte Eiszeit. Das Gestein stammt ursprünglich aus Skandinavien und wurde
erst während einer der jüngeren Eiszeiten im Eis eingefroren nach
Deutschland transportiert. Dies hier ist der erste Fund so eines Gesteins in
Deutschland überhaupt.

Entstehung eines Warvengesteins:
In den Schmelzwasserseen von Gletschern lagern sich feinkörnige Sedimente
ab. Sie zeigen eine Hell-Dunkel-Streifung, die von der jahreszeitlich
schwankenden Ablagerung erzeugt wird. Im Frühsommer (Tauperiode) sind im
Schmelzwasser des Gletschers sehr viele feinkörnige Partikel, die eine helle
Lage am Seeboden bilden. Im Herbst und Winter sinken dagegen die noch
feineren, teils organischen Schwebstoffe nach unten und bilden eine dunklere
Schicht. So ergibt sich für je ein Jahr eine helle und eine dunkle Lage.
Diese jahreszeitlich geschichteten Ablagerungen bezeichnet man als Warven,
die zu hunderten übereinander abgelagert werden können.
Bleiben solche Ablagerungen erhalten, werden sie heute als gebänderte Tone
gefunden, die man auch als Warventon (Varventon) bezeichnet. Solche Tone
stammen aus den letzten Eiszeiten und sind geologisch jung. Sie sind zwar
kompakt, aber noch relativ weich.
In seltenen Fällen können sie auch geologisch lange Zeiten überstehen und
dabei dann stark verfestigt werden. Der hier beschriebene Geschiebefund ist
so ein sehr alter, versteinerter Warventon. Er stammt aus einer weit
zurückliegenden Eiszeit und ist vermutlich deutlich älter als 500 Millionen
Jahre.
Das Besondere aber ist, dass hier noch Gesteinsbrocken in den Ablagerungen
stecken. Auf der Vorderseite des Steins sind zwei zu sehen, auf der
Rückseite gibt es einen weiteren.

Alle Einschlüsse sind aus dem gleichen, kristallinen Gestein.
Wie kommt nun so ein Stein in den ehemals weichen Schlamm eines Sees? Da
gibt es nur zwei Möglichkeiten: Jemand wirft vom Ufer aus einen Stein ins
Wasser - eher unwahrscheinlich bei diesem Alter - oder es treiben
Eisschollen über das Wasser, in denen noch Steine stecken. Taut das Eis,
sinken die Brocken nach unten. Man bezeichnet sie deshalb als Driftsteine
oder „dropstone“.
Gibt es andere Erklärungen?
Meteoriten können es nicht sein, die sehen ganz anders aus und sind nicht so
grobkristallin wie die Einschlüsse hier. Außerdem enthalten Meteorite nie so
viel Quarz. Das hier ist ein typisches granitoides Gestein.
Die Steine können auch nicht durch eine Gerölllawine in den See gespült
worden sein, denn dann gäbe es die schön geschichteten Ablagerungen am Boden
nicht mehr.
Der Stein versank von oben her in ruhigem Wasser und sank ein Stück in den
noch weichen Schlamm ein. Das einzig plausible Szenario dafür ist
schwimmendes Eis mit Steinen darin. Das bedeutet Gletscher in der Nähe.
Deshalb gelten Warventone mit solchen eingesunkenen Steinen als sichere
Anzeiger für eine Kaltzeit bzw. Vergletscherung.

Der in einer Kiesgrube in Nordrhein-Westfalen gefundene Stein erzählt daher
eine lange Geschichte:
Vor mehreren hundert Millionen Jahren gab es eine Eiszeit, bei der die
Gletscher das Grundgebirge abschmirgelten und lose Steine als Geschiebe im
Eis eingefroren transportiert wurden. Als der Gletscher abtaute, wurden
zermahlenes Gesteins als Schlamm in einem Schmelzwassersee abgelagert.
Einige der größeren Steine trieben, noch im Eis eingefroren, über’s Wasser
und sanken beim Tauen des Eises zu Boden. Durch günstige Umstände blieben
diese Ablagerungen erhalten und verfestigten sich zu einem kompakten
Gestein, das wieder zu einem Teil des skandinavischen Grundgebirges wurde.
Sehr viel später, inzwischen hatte die Verwitterung den Warvitit freigelegt,
gab es wieder eine Kaltzeit, sehr wahrscheinlich war das die Saaleeiszeit,
die vor grob 400 000 Jahren begann. Wieder bedeckten Gletscher das Land und
nahmen alle losen Steine mit auf ihrem Weg nach Süden.
So wurden die Ablagerung einer alten Eiszeit bei einer späteren Eiszeit
selbst wiederum zum Geschiebe.
Der Abbau von Sand und Kies brachte schlussendlich die Geschiebe aus dem
Norden ans Tageslicht, wo ihn Tobias Langmann fand und als etwas Besonderes
erkannte.
Sein Text dazu erschien in Heft 4/2014 von „Geschiebekunde aktuell“. Sie
finden ihn auf der
nächsten Seite oder als
pdf.

Heute, Anfang 2015, befindet sich der Warvitit als zeitlich begrenzte
Leihgabe im Eiszeitmuseum in Lütjendorf in Schleswig-Holstein.
Die Adresse des Museums ist: Nienthal 7 in 24321 Lütjenburg.
Tel. 04381-415210 www.eiszeitmuseum.de
Wenn Sie zu Eiszeiten mehr wissen wollen, empfehle ich:
J. Ehlers, Das Eiszeitalter
Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2011.
Alle Bilder des Warvengesteins:
CC BY-SA,
kristallin.de
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